Selten ist es Pfarrdechant Reinhard Edeler schwerer gefallen als am Sonntagvormittag eine Messe zu feiern. W. Leskovsek Der Grund ist naheliegend: Es war der letzte Gottesdienst in der 1770 erbauten Marienkirche, der am Hochfest der Unbefleckten Empfängnis Marias stattfand. Die kleine Kirche platzte aus allen Nähten, weil sie gerade für die Wiedenbrücker oftmals ein Ort war zum Beten, zum Gedenken an Verstorbene oder auch um eine Kerze anzuzünden für unterschiedlichste Gründe. Mit einem großen Einzug unter der Beteiligung sämtlicher Geistlicher des Pastoralverbundes, Diakone, Gemeindereferenten, Dechant Thomas Hengstebeck, Pfarrer Aziz Esen, Pfarrer Marco Beuermann sowie christlicher Vereine mit Fahnenabordnungen, war es ein würdevoller Abschied für das Gnadenbild Marias, dass seinen Platz am Altar der Marienkirche verlassen musste, um einen neuen Standort in der St. Aegidius Kirche zu bekommen. Edeler sprach in seiner Begrüßung von einen Balancespiel zwischen Freude, Aufbruch und unendlicher Traurigkeit. Er bat um Verständnis, wenn ihm mal die Stimme versagen würde, weil ihm dieser Augenblick sichtlich nahe ging. Der Pfarrer fragte sich: „Was tun wir hier heute?“ Seine Antwort: „Wir feiern eine Trauer-Feier“. Alle zusammen würden Abschied in der Trauer nehmen, aber auch den Aufbruch sehen und somit auch ein wenig feiern.
Kirche verändert sich. Im Zuge des Immobilienprozesses fiel die Entscheidung, dass die Marienkirche, die von den Franziskanerbrüdern 380 Jahre lang bis 2020 geführt wurde, geschlossen werden soll. „Maria ist nicht weg, sie wandert nur ein Stück weiter und wird in St. Aegidius für die Sorgen, Nöte und Anliegen der Besucher weiterhin ein offenes Ohr haben“, versicherte er den Anwesenden. „Lassen Sie uns, auch wenn es schwerfällt, den Schwerpunkt auf die Freude legen und nicht auf die Trauer.“
Bruder Martin Lütticke, der bis 2016 im Franziskanerkloster als Guardian lebte, wünschte allen, dass das Gute aus den gefällten Entscheidungen wächst. Das sei eine grundsätzliche Philosophie der Franziskaner.
Nach dem sehr berührenden Gottesdienst unter Mitwirkung des Kirchenchores und einer stillen Predigt von Edeler, der meinte, dass alles gesagt sei und einige Minuten des Innehaltens und der Stille jetzt sicherlich angebrachter seien, wurde das Gnadenbild der schmerzhaften Mutter Gottes auf einem Wägelchen hinüber in die Pfarrkirche geschoben. Alle Anwesenden schlossen sich in einer langen Prozession an. Doch als Maria durch die Kirchentür geschoben werden sollte, da weigerte sie sich ein wenig. Der Wagen war zu breit. Kurzerhand packten die beiden „Alt-Ministranten“ Friedhelm Gödecke und Christian Grochtmann die nicht ganz leichte Statue und trugen sie zu ihrem neuen Platz im Seitenschiff der Kirche. Dort wurde sie gesegnet und gemeinsam das Marienlied schlechthin, „Segne du Maria, segne mich, dein Kind“, gesungen.
Die Marienkirche St. Ursula ist mit diesem Akt nicht profaniert (entwidmet). Das wird zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Nach der Beschlussfassung, dass die Kirche nicht mehr betriebsnotwendig ist und wenn feststeht wie es weitergeht, ob die Klostergenossenschaft das Gebäude nutzen wird, soll dieser Akt irgendwann im Laufe des nächsten Jahres erfolgen. Gespräche laufen, doch Entscheidungen sind bislang nicht getroffen worden. Das wird sicherlich ein weiterer emotionaler Schritt sein. Das Allerheiligste aus dem Tabernakel wird dann in einer Prozession rüber zu St. Aegidius getragen.